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Inklusion im Tiroler Erholungsraum

Barrierefreie Wanderwege im Rahmen von „Bergwelt Tirol – Miteinander erleben“

Ein Selbstversuch:

Wir gehen wandern. Ja, wandern, nicht rollen oder fahren. 

Ich habe mir eine Runde von ca. 4 km überlegt. Das wird wohl klappen, 4 km ist ja wirklich nicht viel und steil ist es auch nirgends.

Schon beim Hineinsetzen fühle ich mich ein wenig hilflos. Ich bin prinzipiell ein Mensch, der lieber steht und geht als sitzt. Der Rollstuhl läuft wie geschmiert, noch ist Asphalt unter meinen Füßen, äh nein, Rädern. Das geht ja locker.

Aber irgendwie lenkt das Ding immer auf eine Seite und will nicht gerade fahren. Ob das daran liegt, dass der Weg steiler wird oder schief angelegt ist? Ich kann beim besten Willen nichts dergleichen feststellen, der Weg ist nach wie vor so gut wie eben. Aber irgendwie kann das nicht sein, meine Oberarme sind schon fast beim krampfen und wir sind noch keine 10 Minuten am Weg. Abgesehen davon, dass meine 2-jährige Tochter es weiter schafft in dieser Zeit – Ameisen-Begutachtungszeiten miteingerechnet.

Wir sind jetzt auf einem Forstweg, mit – wie ich meinen würde – gutem festem Untergrund. Meine Arme brennen als hätte ich mich eine Skipiste nur mit den Stöcken hochgeschoben. Hat das schon jemand einmal gemacht? Ist nicht so lustig. Aber das hier, ist keine 40 ° ( = 84 %) steile Piste. Ich messe und stelle sage und schreibe 2 % Längsneigung fest, die mir meine gesamten Kräfte rauben. Ganz zu schweigen von den fast unbemerkten Stellen, an denen der Weg 6 % hat, die sind für meinen Oberkörper-Fitnesslevel nicht überwindbar. Und ich wäre eigentlich noch in einem Alter, in dem letzteres noch nicht als Ausrede gilt.

Wir befinden uns gerade im schönen Tiroler Oberland bei einem Sensibilisierungstraining mit dem ÖZIV, der österreichweiten zukunftsorientierten Interessensvertretung. Da wir uns - also der Fachbereich Landschaftsdienst des Tiroler Forstdienstes - immer öfter mit der Gestaltung von barrierefreien Wanderwegen im Rahmen des Programms „Bergwelt Tirol – Miteinander erleben“ befassen, müssen wir doch auch wissen wovon wir reden. Und ja, wir sind jetzt sensibilisiert.

Inklusion als Menschenrecht

Was das Antidiskriminierungsgesetz schon seit dem Jahr 2005 gesetzlich verankert hat, ist in Realität erst ganz am Beginn der Umsetzung. Die Inklusion – das „Miteinbezogensein“ – ist ein Menschenrecht und als solches auch in der UN-Konvention, die 2008 in Kraft ging, festgehalten.  Dabei geht es bei der Diskriminierung nicht immer gleich darum, dass Menschen mit Behinderung unmittelbar eine weniger günstige Behandlung erfahren, sondern auch um Vorschriften, Kriterien, Gegebenheiten usw., die behinderte Menschen besonders benachteiligen bzw. vom gesellschaftlichen Leben ausschließen können. Das betrifft natürlich auch uns als Landschaftsdienst und alle Infrastrukturen, die wir als Förderstelle betreuen.

Was tut sich im Tiroler Erholungsraum? 

Im Tiroler Erholungsraum sprechen wir von rolli-tauglichen Wegen, da die „Barrierefreiheit“ laut ÖNORM B1600 in der Natur nicht anwendbar ist.

Die Entwicklung von rolli-tauglichen Wanderwegen ist voll im Gange und hat in jüngster Zeit an Fahrt aufgenommen. Auch bei Begleitinfrastrukturen wie Rast- oder Spielplätzen wird Inklusion immer häufiger mitgedacht. Ziel ist es, ein vielfältiges und tirol-weites Angebot an attraktiven Erholungsmöglichkeiten zu schaffen. Als vielversprechendes und hilfreiches Tool ist derzeit ein Klassifizierungs-Modell von rolli-tauglichen Wanderwegen in Ausarbeitung, das in Zukunft sowohl planungstechnisch als auch nutzerorientiert ein wertvolles Instrument darstellen soll. 

 

Quellen:

Grafik: © 2023 archaeologos

Karikatur: © Philipp Hubbe 

Fotos: © Bergwelt Tirol - Miteinander Erleben